Allseitig vom 10.10.2017 / → Teil 2
Wahlkampf – Wahl-Kampf – endlich! Yeah! Keine weichgespülten Wattewölkchen mehr. Endlich gibt’s mal ordentlich was auf die Fresse – verbal, versteht sich – woom! Voller Einsatz. Endlich – wenigstens ab und an mal – Klartext. Sachthemen, da schau her. Pass ja auf, was du sagst, Oida! Verzapf Scheiße und du kriegst die volle Ladung retour (oder sonst halt vom Düringer eine LKW-Ladung voll vor’s Parlament). Politik als Boxkampf. Endlich harte Bandagen! Bussi Herrn Silberstein oder wem auch immer für den medialen Schubser.
Da mag man/frau/kind mich jetzt für komplett deppert erklären, und, ich verstehe schon: Das hätte auch in die Hose gehen können, aber so, wie es jetzt ausschaut, hätte gar nichts Besseres passieren können – da kommt doch tatsächlich was ins Rollen im (aal-)glattrasierten Politgelände. Mögen die Journalisten aus Deutschland ruhig die Nase rümpfen und voll Unverständnis den Kopf schütteln. Was soll’s? Das ist Österreich. Das ist so bei uns. Da gibt es keine Grenze des guten Geschmacks. Lasst euch doch nicht vom Klischee der ewig charmanten, linkisch höflichen und lieb grantelnden, gemütlichen Sachertoten- und Apfelstrudel-Ösis täuschen. Wenn sich eine Auseinandersetzung in den Medien so abbilden würde wie zwischen Frau Merkel und Herrn Seehofer, dann dächten wir wohl, da stümmte etwas nicht. Haben die etwa ein Problem, geht’s denen nicht gut, sind die vielleicht krank? Das funktioniert hier nicht. Wir sind von mir aus eitel, falsch, bösartig, hinterfotzig, zeitweise voll daneben, cholerisch, intrigant, blasiert, untergriffig, wehleidig und wer weiß, was sonst noch alles, manchmal sind wir auch überaus geist- und erfindungsreich, phantasievoll bis zur Verblödung, messerscharf berechnend, rücksichtslos uns selbst und anderen gegenüber, trickreich und… na gut… und zwischendurch meinetwegen auch charmant, linkisch, höflich, grantig, gemütlich und lieb. Meistens aber deppert. Und pervers sowieso. Auf gar keinen Fall aber sind wir besonders leise dabei, oder gar diskret. Und wenn doch, dann besteht echt Grund zur Sorge. Das ist Österreich. Manno! Nicht umsonst ist das hier die Wiege der Psychoanalyse. Wir machen das so geschickt, dass uns das sogar noch als leiwand durchgeht, dafür haben wir den Elmayerischen. Das raffst du gar nicht. Wenn’s hier abgeht, dann richtig.
Mich beschleicht allerdings die Befürchtung, dass das nicht lange so bleiben wird, deswegen gibt’s heute… na, auf alle Fälle mal ein Schwammerl für Herrn Pilz. Ein dickes. Ins Klassenbuch. Warum? Na, einfach so, weil der sich das ohnehin schon längst verdient hat; egal ob für die verbale Doppelwatschen (in einem Aufwaschen quasi) für Herrn Erdogan und Herrn Sobotka (verzeihen Sie bitte meine kryptische Ausdrucksweise, wenn Sie Näheres erfahren wollen: Puls 4 Sommergespräch vom 31.07.2017); ob für den Eurofighter-U-Ausschuss, der jetzt bereits europaweite Wellen zu schlagen scheint (siehe Airbus-Klage); für seine Plakat-Verweigerung; dafür, dass er die absolut coolsten uncoolen Klamotten (abgesehen vielleicht von Jason Williamson und Andrew Fearn) trägt; seinen eigenen Schädl hat (anstatt eines kollektiven Resthirns, manche sagen dazu auch Facebook-Account); im Parlament durch’s Fenster eingestiegen ist; als Einziger zu verstehen scheint, was soziale und ethnische Durchmischung in einer Gesellschaft bedeutet oder einfach dafür, dass er ein cooler Hund ist.
Und ein Sternchen, ein großes, für die KPÖ Plus. Sorry, aber ihr kriegt mich nicht dazu, hier ein Kreuzerl (und sei’s ein rotes) zu tippen, Religion ist und bleibt auch oder gerade im 21. Jahrhundert noch immer Opium für das Volk (oder mittlerweile Methamphetamin?). Egal, ein großes Sternderl jedenfalls dafür, dass ihr in der Sonderausgabe der Volksstimme Plus zur Nationalratswahl einen ganzseitigen Cartoon von der Steffi, also der Frau Sargnagel, abgedruckt habt.
Und noch ein kleines grünes Mikrofon (jawoll, sowas gibt’s, es gibt nahezu alles als Pickerl) für Frau Lunacek, die erstens die schwere Bürde auf sich genommen hat, als Spitzenkandidatin für diese Oaschpartie – Pardon, kleiner Anfall von Tourette – also für diese hoffnungslos verbürgerlichte, ehemals (vermeintlich?) große Hoffnung anzutreten (die im Übrigen ohne die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels wohl kaum noch existieren würde, hm, so kann man/frau auch schnell mal zu einer Angstpartei werden… ach so, ich vergaß: Jetzt kommt ja bald der große Reibach mit den Umwelttechnologien), und es zweitens geschafft hat, nach anfänglichen Schwierigkeiten von einer in vorsichtig braver Defensivpose verharrenden Harmlosen zu einer überaus angriffigen und dennoch immer charmanten (wie macht die das bloß?) Fernsehdiskutantin und Wahlkämpferin aufzublühen. Naja, wahrscheinlich braucht es eine gewisse Eingewöhnungsphase, bis frau sich vom – ich nehme jetzt mal an – halbwegs gepflegten Umgangston im EU-Parlament auf die doch etwas handfestere Diktion der österreichischen Politbühne umzustellen weiß. Ohne Taferl is nimma (ich würde ja gleich ein Tablet verwenden, da ist man flexibler). Oder vielleicht macht’s ja auch Spaß mal wieder auf’m Acker zu tanzen statt auf dem internationalen Parkett. Was weiß ein Fremder?
Hm, nojo, dann kömma das Klassenbuch ja wieder zuschlagen für heut‘. Ah, angenehm. Stille. Nur das gleichförmige Lüftergeräusch vom alten PC. Ist lustig Oberlehrer zu spielen, das wollt‘ ich schon immer einmal. Rache für die Unbill aus längst vergangenen Schultagen…
Jessas, jetzt hätt‘ ich doch beinahe den roten Punkt vergessen, schnell noch einkleben, na machen wir gleich zwei draus. Für wen? Na, hören Sie mal! Haben Sie seit Bruno Kreisky auch nur einmal so eine Performance im Ring erlebt, wie vom Herrn Kern? Ich mein‘, voll ran an den Gegner, ein gezielter Punch nach dem anderen, und nicht zimperlich. Und Nehmerqualitäten hat der, das ist kein Schas. Gerade noch hängt er in den Seilen und drei Sekunden später teilt der voll aus. Und das Bemerkenswerte daran: man/frau/kind mag mich da ruhig einen Esoteriker schimpfen – das sind echte Emotionen, und die finden auch Ausdruck. Mir scheint fast, der ist ein echter Fighter. Ich weiß nicht recht, um ehrlich zu sein, hatte ich da von Anfang an so ein Gefühl bei ihm, ein fast schon ein Bisserl ungutes, das der’s irgendwie, ich zögere das zu sagen, ehrlich meint. So was wagt man einfach nicht mehr ernsthaft in Betracht zu ziehen. Und ich getraue mich das eigentlich erst auszusprechen seit seinem Auftritt mit Herrn Niavarani im Odeon-Theater, oder präziser verortet im Gfriesbiachl, vulgo Facebook (wahrscheinlich hat der irgendwie so eine väterlich freudsche Wirkung auf mich, der Herr N., mit seinem schönen weißen Bart ;).
Bitte mich jetzt nicht falsch zu verstehen, natürlich lügt der Herr Kern. Die anderen drei von mir kindischerweise mit fiktiven Klassenbuch-Stickern bedachten Kandidatinnen und Kandidaten lügen auch. Die Kandidat=inn=en der anderen Parteien lügen selbstverständlich auch. Alle Politiker=inn=en lügen. Menschen lügen andauernd. Sie nicht? Wir lügen laut (allerdings umstrittener) Fachmeinung etwa 200 Mal am Tag. Ah, das wussten Sie schon. Sie meinten etwas anderes. Dass der Herr Kern zum Establishment gehört und das Klassenkämpferische nur Fake ist.
Was das Establishment betrifft: na, sicher, was sonst? Wie soll jemand aus einer etablierten Partei denn nicht zum Establishment gehören? Die Kandidaten der Großparteien gehören doch alle dem Establishment an, sonst hätten diese Parteien sich wohl schwerlich etablieren können, oder? Und die kleineren genauso, sonst könnten Sie die jetzt wohl kaum wählen, ich mein‘, Hallo! Wie wollen Sie denn eine Partei gründen oder auch nur einen Kleingartenverein ohne konstituierende Sitzung?
Aber die andere Geschichte, mit der Glaubwürdigkeit seines politischen Backgrounds, hm, mir fällt auf, dass der Herr K., also der mit dem ‚ern‘ dahinter, nicht mit den ‚urz‘, dass der in den Diskussionen um jedes Argument ringt, oder besser gesagt darum, dass seine Argumente durchkommen, vor allem auch beim Zuseher. Der ist ständig um Klärung seiner Programmatik bemüht, hängt sich da mitunter richtig rein, unterfüttert das mit Zahlen, die noch dazu meistens stimmen, versucht eine schlüssige Argumentation aufzubauen und, was mir neuerdings auffällt, er versucht auch nicht zwanghaft Sympathie zu heischen wie eine Grinsekatze – deswegen der extra Punkt. Sicher, der täuschelt auch manchmal an, gelegentliche Tiefschläge sind in der Politik – im Unterschied zum Boxen – durchaus erlaubt. Politik ist dreckig – um’s mal so zu formulieren und von den ständigen Anglizismen wegzukommen – das war sie, nicht zuletzt im Wahlkampf, immer. Boah! Ma! Oag!
Also ich hab‘ da kein Problem damit, das ist mir allemal lieber als dieses sauber geheuchelte Konsensgefasel und dieses zimperliche, scheißfreundliche Getue von dem anderen Herrn K., dem Mitläufer – wie war doch nochmal der Name, K… K… Herr Karl? Aber hatte der nicht einen Schnauzbart? Und war der nicht viel älter? Nein der kann’s nicht gewesen sein, Karl… Karl… Karl-Heinz…? Verflixtes Kurzzeitgedächtnis…
Das spielt wohl ohnehin keine Rolle jetzt. Also ich mag ja an akkustischen Halluzinationen leiden, aber ich höre da immer laut und deutlich: Wir müssen jetzt endlich alle gemeinsam, konstruktiv und nachdem wir uns die Zähne gebleicht und ordentlich Kreide geschluckt haben, vernünftig handeln und das machen wir am besten, indem wir alle unsere ungelösten Probleme (die WIR garantiert nicht lösen werden) auf monetär benachteiligte oder sonstige Randgruppen abwälzen, das ist realistisch und machbar. Wie machen wir das? Nun, Randgruppen sind heute weltweit der am schnellsten wachsende Markt, da kann keiner mehr allen Ernstes behaupten, wir hätten keine Gegenfinanzierung. Warum machen wir das so? Weil die armen Würschtln sich wohl kaum aufmucken trauen oder einen Rechtsbeistand, geschweige denn einen Lobbyisten leisten können (jetzt lieb lächeln). Wenn’s doch einmal zu laut wird, dann schmeißen wir die einfach raus oder denen halt ein paar wertlose Bröckerl hin (und Sie können die Skala jetzt ohne weiteres vom einzelnen Bürger auf ganze Staaten ausdehnen, Anm.). So erhalten wir dauerhaft unseren sozialen Frieden in der Europäischen Union.
Mich beschäftigt ja eigentlich weit weniger die Frage, warum die Leute Kurz, Strache (und vielleicht letztendlich auch Strolz) wählen wollen, sondern wozu. Was mich jetzt auf die heurigen Wahlplakate bringt. Die durchwegs inhaltsleeren Slogans interessieren mich dabei weniger, die wären ja, falls meine obige Annahme, was die wahren Absichten der neuen und alten Saubermänner betrifft, auch nur ansatzweise zutreffen, ohnehin bedeutungslos. Vielmehr weckt, man möge mir diese Neigung nachsehen, wieder einmal die Ikonographie dieser Werke des grafischen Fachs mein Interesse.
Ein wichtiger Hinweis kam dabei fast beiläufig von Herrn Matznetter, der nach dem Zoff um die ach so bösen Facebook-Seiten in der Phase der medialen Eskalation urplötzlich als Mann für’s Grobe aufgetreten ist, um die als heftig zu erwartenden, ersten Schläge gegen die Partei einzustecken (nicht ohne seinerseits ziemlich vehement Gegenwehr zu leisten). Herr M. hatte bei bei dieser Gelegenheit (einem Fernsehauftritt) auch einen Vorwurf zu parieren, der den angeblichen Vergleich von Sebastian Kurz mit Adolf Hitler auf einer Facebook-Seite betraf. Nach seiner anfänglich irrtümlichen Annahme, bei der gezeigten Tafel, die Herrn K. und Herrn H. nebeneinander abbildete, handle es sich um eine Fälschung der Anschuldigerin (Frau Köstinger), räumte Herr M. (nicht ohne sich geradezu überschwänglich für seinen Irrtum zu entschuldigen) schließlich ein, dass der Bildinhalt zwar authentisch sei, bei diesem jedoch der Text fehle. Dieser sei insofern entscheidend, als auf dem Facebook-Posting nicht Kurz mit Hitler sondern die Art der Darstellung mit jener in propagandistischen Bildwerken der Nationalsozialisten verglichen worden sei. Ich habe das kurz nachrecherchiert – der Facebook-Beitrag war zwar etwas patschert, aber es verhielt sich tatsächlich so, dass es hier um die Übereinstimmung in der Darstellung ging, nicht um eine Gleichsetzung der Personen. Und… hm… aus kreativer Sicht muss ich dem Gestalter der FB-Post wohl oder übel Recht geben. Was mich jetzt endlich auf meine Frage zurückführt. Wozu Kurz wählen?
Ok, ich versuchs kurz: Die betreffenden ÖVP-Plakate ähneln einander sehr stark und sind recht simpel und im Grunde alle gleich aufgebaut. Herr Kurz wird, was den Ausschnitt betrifft, als Brustbild abgelichtet, den Blick stets in eine ungewisse Ferne gerichtet, eine Portraitbüste also. Der Blick in die Ferne wird auch dann beibehalten, wenn sich (wie auf einem anderen Plakat) eine zweite Person in unmittelbarer Nähe mit ihm im Bild befindet (da schaut er dann einfach an jener vorbei). Innerhalb des Formats wird der Dargestellte stets deutlich in der rechten Bildhälfte positioniert, bei dem prominentesten Sujet sogar sehr nahe am rechten Bildrand, man könnte auch sagen rechts außen. Von der linken Seite her ragt in allen Variationen des Werbemittels stets ein eisblauer Pfeil ins Bild, der nach rechts zeigt, die gesamte Höhe des Plakats einnimmt, jedoch unten stark angeschnitten ist, sodass man ihn nicht sogleich als Pfeil erkennt. Die Richtung des Pfeiles wird dann in der zugehörigen Fernsehwerbung gleicher Machart noch verstärkt, indem sich dieser mittels einer schlichten Animation tatsächlich von links ins Bild kommend nach rechts bewegt. Im Bildvordergrund finden sich sehr kurze Schlagworte in großer weißer Groteskschrift (darüber dann noch, relativ klein gedruckt, der Name seiner Liste). Der Hintergrund ist jeweils mehr oder weniger unscharf bzw. diffus gehalten und vermittelt Modernität.
O.K., that’s it – more or less. Was die Parallen zu den alten Hitler-Bildern betrifft, die dramatische Ausleuchtung, die Kopfhaltung, der Blick ins Leere… nun ja, man/frau/kind könnte da wohl von einem perfect match, einer perfekten Übereinstimmung sprechen. Oder, vielleicht noch treffender, von einem perfekten Update. Auf einem der Fotos erzeugt das steil von oben einfallende Licht einen dunklen Schlagschatten unter der Nase, sodass, ob gewollt oder nicht, sogar die Form des für Hitler typischen Zweifingerbarts angedeutet wird. Wie pathetisch! Der Schatten der Geschichte fällt auf des Antlitz des Auserwählten. Was die beabsichtigte Bildwirkung betrifft, soll offenbar, wie auch bei den zahlreichen Vorläufern dieser Art von Sujets, die Überlegenheit der dargestellten Person suggeriert werden. Dies geschieht sehr einfach: Durch den festen Blick in eine nicht näher definierte Ferne, oder im übertragenen Sinn, eine ungewisse Zukunft, die dem Betrachter des Bildes allerdings vorenthalten bleibt, entsteht der Eindruck, der Dargestellte sei sich eben dieser, unserer aller Zukunft, als einziger gewahr. Der Kamerawinkel von leicht unterhalb tut dann noch das Seinige zur Erhöhung des Helden. Oder mit Falcos Worten kurz auf den Punkt gebracht: „…Er hat die Kraft und wir san klan und dumm | und dieser Frust macht uns stumm…“.
Das ist auch schon der ganze Zauber. Machen Sie doch mit ihren Kindern ähnlich heroische Fotos, sie können auch Kostüme verwenden oder ein Spielzeugschwert oder lustige Bärte aufmalen, Posen erfinden, was auch immer. Erleben Sie gemeinsam mit Ihren Kleinen die wundersame Verwandlung im Bilde und dann… naja… lachen Sie sich vermutlich eh alle schief angesichts der Ergebnisse! Ich bin mir ja nicht sicher, ob dieses lehrreiche und unterhaltsame Experiment Ihren Lieben gefallen könnte, aber falls Sie tatsächlich dieser Anregung folgen, posten Sie die Bilder um Himmels Willen nicht im Internet, heutzutage glaubt doch jeder gleich, Sie wollen mit einem so posierenden Pimpf gleich eine neue Hitlerjugend aufbauen und Sie werden womöglich der Wiederbetätigung bezichtigt, und überhaupt, Kriegsspielzeug. Pfui!
Also nochmals zurück zu meiner Frage. Wozu sollten Sie Kurz wählen, um einmal so zu fragen? Keine Ahnung. Vielleicht ist Ihnen alles noch nicht rechts genug? Vielleicht reicht es Ihnen nicht, bevor wir nicht alle so richtig tief in der Scheiße stecken, es ist Zeit für Neues, hm? Ich sag’s gleich: Sehr viel weiter rechts geht es sich nicht mehr aus, sonst fällt der Herr Kurz aus dem Bild.
Nebenbei bemerkt hat der Herr Strache das Motiv aus den beschriebenen Wahlplakaten gleich bereitwillig übernommen, respektive seine Werbeleute (oder war’s umgekehrt?), und blickt jetzt neuerdings auch in die Ferne, bei ihm schaut das sogar ein wenig freundlicher aus, allerdings ist er deutlich in die Mitte gerückt. Wer hätte das noch vor einem Jahr wohl erwartet?
Jetzt hab ich gar nichts über den Herrn Strolz gesagt, hm, da fällt mir nie wirklich was ein, für mich ist der einfach ein würdiger Nachfolger für den Lugner, den von der Lugner-City. Es war wirklich noch nie keine Gaudi mit ihm, also mit dem Strolz. Der hat auch das mit dem Blick ganz anders gelöst, viel moderner und lustiger. Einfach eine Schrift darüber drucken, dann sieht man/frau/kind auch nicht, wo die auf dem Plakat eigentlich hinschauen, und überhaupt ist dann gleich das ganze Gesicht verschwunden… SAPPERLOT… ich glaub‘, die haben das von mir geklaut, und… HERRSCHAFTSSEITEN… jetzt muss ich auch noch ein Pickerl springen lassen. Da komm‘ ich nicht drum herum. „Wer in Politik, Staat, Kirche, Wirtschaft, Militär, Parteien, soz. Organisationen keine Gaudi sieht, hat mit uns nichts zu tun.“ Das ist jetzt bitte nicht vom Herrn S., sondern von der Gruppe SPUR, aus deren Januar-Manifest von 1961. Da sag‘ ich jetzt nichts weiter dazu, das würde hier zu weit führen, wenn Sie’s wirklich interessiert, einfach startpagen. Na gut, dann spendier‘ ich also einen rosa Klecks für’s Klassenbuch. Und weil’s eh schon wurscht is‘, kriegt der Herr Strache ein blaues Blümchen, dafür, dass er bei einem Fernsehauftritt der Frau Milborn einen fetten Blumenstrauß überreicht hat. Für den guten Willen. So, jetzt hamma aber alle, oder?
Früher, so als Kind, wurde ich ja ab und zu gemaßregelt, wenn’s um etwas Ernstes ging: ‚Schau mich doch gefälligst an, wenn ich mit dir spreche!‘ Ich fand das mitunter ein wenig unangenehm, wohl wegen der schroffen Anrede. Aber das hat schon etwas für sich, rein vertrauenstechnisch gesehen, oder richten Sie gerne ihre Stimme an jemanden, oder geben diese gar an jemanden ab, dessen Blick Ihnen signalisiert, dass Sie gerade abgemeldet sind. Ich meine, wenn es wirklich um etwas geht?
Taktisches Wählen, dass ja oftmals als verpönt gilt, geht übrigens auch anders. Da gibt es die lustigsten Möglichkeiten. Sie könnten zum Beispiel alle Kandidaten oder Parteien auf eine Liste schreiben und jene streichen, die Sie sicher nicht wählen wollen. Das schafft Überblick. Und aus den verbliebenen wählen Sie dann aus. Und falls Sie bis zum Sonntag immer noch unsicher sind, dann lassen Sie doch einfach die Würfel unter den restlichen entscheiden. Dann kann’s doch nicht völlig verkehrt sein. Oder eine andere Variante: Sie wollen partout nicht, dass es jener oder jene wird. Na, streichen Sie doch die unerwünschte Möglichkeit einfach und treffen Sie ihre Wahl unter den restlichen. Auch hier gilt: Die für Sie richtige Richtung zählt, also im (Ver-)Zweifelsfall: Würfel. Oder Kreisel oder Auszählreim or whatever. Und das oft kolportierte taktische Wählen zum Verhindern gewisser Koalitionen – aber geh, ich weiß nicht recht, wie soll das gehen? Woher sollen wir denn wissen, wer mit wem am Ende wirklich packelt? Echt jetzt.
Ach Gottchen…
Ui, jetzt hab‘ ich doch nur sieben Aufkleber verteilt (für die immerhin 16 antretenden Listen). Ja, das Leben ist halt ungerecht, das war schon in meiner Schulzeit so, da kann man/frau/kind nichts machen. Alles Willkür in der Schule und einige fallen durch den Rost, aus denen wird dann später im Leben nichts Gescheites.
Apropos Rost und Durchfallen – was tatsächlich kein Thema im Wahlkampf zu sein scheint, ist die Situation der Künstler, Pardon, Kulturschaffenden in Österreich. Ja, kein Scheiß. Die einzige Partie, die sich erbarmt hat, war das Team vom Kulturmontag. Mit einem Mini-Beitrag und ein paar Fragen an die Spitzenkandidaten wie: „Welche Aufgabe hat die Kultur in der Gesellschaft?“ und „Was sind die am dringendsten notwendigen Maßnahmen in der Kulturpolitik?“ Da muß wohl ein jeder und eine jede zugeben, dass es da trotz einiger starker (Lippen?-)Bekenntnisse und origineller Sager schon recht dünnflüssig bis gasförmig abgegangen ist, was den Gehalt der Wortmeldungen betrifft, trotz Vorbereitungsmöglichkeit und Aufzeichnung. Aber hey! Was würde unsereins wohl für eine Aussage zur Finanzpolitik machen können (außer vielleicht, dass Kunstwerke ohne Zahl im Milliardenwert als Wertanlage in Quasi-Offshore-Depots vergammeln, klimatisiert selbstverständlich und vor dem Zugriff des Fiskus geschützt – und vergammeln versteht sich hier im Sinne von: Das Zeug bekommt ihr im Leben nicht mehr zu sehen). Immerhin sind die Themen Urheberrechte und prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorgekommen (die Frau Lunacek kriegt dafür jetzt doch noch einen zweiten Aufkleber). Wow, solche Nebensächlichkeiten haben es in nur 30 Jahren ins Mainstream-Kulturfernsehen geschafft! Aber diese Fragen… also wirklich… „Welche Aufgabe hat die Kultur in der Gesellschaft?“, das ist schon ein Bissl gemein, ehrlich wahr. Was soll man/frau denn da antworten bei so großen Fragen? Und wieso immer Kultur? Getraut sich das echte K-Wort schon keiner mehr auszusprechen? Sagt’s es doch einfach! Alles klar, das ist zu arg, ich mach das jetzt für euch und buchstabier‘ das sogar. Sagen wir einfach, es ist ein Haiku:
K-U-N-S-T K-Ü-R Z-E-N
Na, war ja gar nicht so schwer, und da kommt Zen darin vor, geil, Om… Om… Om… und keine Angst, wir sind das gewohnt, seit Jahrzehnten. Wie eh fast alle. Ist aber auch echt schwierig mit der Kunst (ich glaub‘, darum ist die auch so schlecht bezahlt). Wo doch sogar der Picasso auf die Frage, was Kunst denn sei, völlige Ahnungslosigkeit, naja, zumindest vorgeschützt hat. Beteuert hat er jedenfalls auch, er würde die Antwort keinesfalls verraten, wenn er sie denn wüßte (so ist’s jedenfalls überliefert). Mir fällt da auch nichts G’scheites ein, außer vielleicht das großartige, zutiefst deprimierende und nicht gerade gehypte Buch von Markus Metz und Georg Seeßlen ‚Geld frisst Kunst | Kunst frisst Geld‘, schwierig da was Spaßiges heraus zu zitieren, außer vielleicht: „Wenn sich zwei Künstler treffen, reden sie über Geld. Wenn sich zwei Banker treffen, reden sie über Kunst.“ Das war jetzt wahrscheinlich einerseits falsch (herum) zitiert und außerdem stammt es ohnehin nicht von Metz/Seeßlen, sondern ursprünglich von Oskar Wilde. Das ist halt schon verdammt alt… nein, nein… ich erdreiste mich jetzt nicht dazu Herrn Wildes Genie… keinesfalls… schreiben Sie mal eine Pointe, die in über hundert Jahren immer noch zieht… ich wollte doch nur andeuten, dass das wohl nicht mehr so amüsant klänge, wenn heute jemand Derartiges schriebe.
Ah ja – eh ich’s vergesse – raten Sie mal, wer trotz mehrfacher Anfrage nicht bereit war zum Kulturmontag-Gespräch zu kommen. Ah, Sie haben’s schon erraten. Naja, ich kann das schon nachvollziehen, Bissl fade Sendung – ich fand ja Kulturzeit immer ziemlich fein – außerdem: viel zu viele Termine im Kanzler-Wahlkampf, das müssen Sie schon verstehen. Ist eigentlich irgendjemandem schon einmal die Idee gekommen, daß der vielleicht doch zu jung sein könnte für den Job? Egal, von mir gibt’s jedenfalls heute keinen türkisen Eisprinzessinnen-Aufkleber, den heb‘ ich mir für unartige Kinder auf.
Künstlert, schriftstellert und restauriert (zumindest laut Statistik Austria).