Verspätete Osterh@serl · Teil 2

21st Century Man vom 08.05.2017 / → Teil 1

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Bliebe nun noch die Sache mit dem alten Palmers-Plakat, das mit den Strümpfen. Wie bereits angesprochen, das sieht grundsätzlich sehr ähnlich aus, aber eben nur grundsätzlich. Es zeigt ebenfalls junge Frauen auf dem Bauch liegend, allerdings fünf und ein wenig ältere als ihre upgedateten Kolleginnen (was die Reaktionen auf die neue Version betrifft, habe ich übrigens den Sager von Nina Horacek, Journalistin beim Falter, am lustigsten gefunden, die das neue Sujet als „verhungerten Kindergeburtstag“ bezeichnet hat) und um einiges entspannter. Sie liegen auf einer undefinierbaren, weißen, seidenen Unterlage, wie auf einem großen Bett, ein paar Kissen sind auch mit im Bild. Die Kameraposition ist anders, etwas weniger von oben herab. Alles ist sehr sorgfältig durchkomponiert und wirkt trotzdem wie ein zwangloser Plausch unter Freundinnen. Die Modelle unterscheiden sich voneinander in ihren Posen und Hautfarben oder Skintones, wie der/die Werbefachmann/-frau das wohl bezeichnet, sie liegen nicht da wie in eine Sardinenbüchse geschlichtet, da ist alles schön variiert, nicht ohne eine gewisse formale Strenge – professionelle Werbefotografie halt. Und sie sind dabei ziemlich nackt, sie tragen, von einer Ausnahme abgesehen, ausschließlich dünne Nylonstrümpfe und -strumpfhosen und darunter… gar nichts. Das wirkt schon recht pikant, wenn Sie mich fragen, allerdings ohne dass da der Jugendschutz einschreiten müsste, dazu ist das Ganze einfach viel zu geschickt gemacht und auch zu nett. Und der kulinarische Vergleich kommt mir nicht ungelegen, einen solchen hat auch der seinerzeit mit der Kampagne betraute Kreativ-Direktor Christian Satek gebracht, indem er in einem Interview mit der FAZ meinte, die Frauen auf dem Foto lägen da „wie Schokoladefinger zum Auswählen“ oder „running Sushi auf dem Laufband“ und eingeräumt hat, das Werbesujet sei „heftig angreifbar“. Damals gab es jedenfalls auch Gegenwehr von feministischer Seite, das gehört sich auch so, wie ich finde. Und doch hat es das Foto geschafft im Jahr 2002 sogar bis in die bürgerliche Hochkultur vorzudringen – als Bühnenbild für eine Don Giovanni-Aufführung – wie passend.

Okay, jetzt sollte ich wahrscheinlich irgendeine politisch korrekte oder besonders unkorrekte Konklusion abliefern, Stellung beziehen. Um ehrlich zu sein, mir ist das zu hoch. Das liebe Wiki definiert Reizwäsche oder Dessous als Kleidungsstücke ‚…die dazu dienen können, den Geschlechtspartner sexuell zu erregen oder auch die eigene Eitelkeit zu befriedigen…‘ und, was ich besonders interessant finde, geschichtlich betrachtet fänden sich laut Wikipedia im 19. Jahrhundert erste Ansätze für diese Kultur (das kennt man/frau vielleicht noch von den Korsagen beziehungsweise deren Weiterentwicklungen). Inzwischen sind wir da schon moderner, jetzt gibt es das auch zum darüber tragen, das nennt sich dann Dessous-dessus, überhaupt ist der Variantenreichtum schier unendlich, das geht von alltagstauglichen Dessous über Fetisch-Kleidung bis zu Reizwäsche für Herren, essbarer Unterwäsche und so fort – soweit mal meine Kurzfassung des Wiki-Beitrags. Na, jedenfalls ist das Ganze in der Regel ziemlich aufwendig in der Herstellung – von String-Tangas mal abgesehen – und muss dann halt anständig beworben werden, damit wir das entsprechend zu würdigen wissen, der Spaß kostet ja auch eine Kleinigkeit.

Was mir jedenfalls auffällt, um nochmals auf die Osterhöschen-Affäre zurückzukommen, die Auslagen und Werbungen beim Palmers, ich weiß nicht recht, mir kommt das in den letzten Jahren so züchtig vor, beinahe schon ein Bisserl fad (obwohl, züchtig macht süchtig ;). Und warum macht’s nicht wieder einmal was mit Herren, der Adonis mit den weißen Socken war doch eigentlich recht originell und charmant, war ich mir einmal mit einer lieben Freundin einig. Da ist halt das entsprechende Feingefühl entscheidend, denk‘ ich, viele Männer sind da oft ein wenig g’schamiger (was aufgrund der Anatomie naturgemäß ziemlich naheliegend ist: Wessen primäre Geschlechtsmerkmale außen herum baumeln, den verlangt es halt vielleicht eher nach ein Bissl mehr Schutz). Und die Dicken werden versteckt, eh klar, na so werdet’s keine neuen Märkte erschließen, von LSBTTIQ-Aspekten erst mal gar nicht zu sprechen. Mir ist schon klar, Verführung und Erotik sind hochgradig subjektiv, da sind halt eine Menge sehr persönlicher Vorlieben mit im Spiel, warum auch nicht? Aber könnte es nicht sein, dass Palmers da zu Ostern mal etwas Neues ausprobieren wollte, so in Richtung Social-Media-Scandalism oder was sie sich eben darunter vorstellen? Da geht halt schnell auch mal eben was in die Hose bei solchen Experimenten. In der neoliberalen Konsumgesellschaft postfaktischer Ausprägung muss daraus ja nicht gleich ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen, was gibt es Besseres als Negativschlagzeilen, oder? Und das kostet dann auch weniger als diese unendlich aufwendigen Hochglanzproduktionen, wo sich ganze Teams von Modefachleuten, Konzepter!inn!en, Fotograf!inn!en, Texter!inn!en, Casting-Agents, Visagist!inn!en, Austatter!inn!en, Art- und Kreativ-Direktor!inn!en und wer weiß noch aller reinknien um etwas Hübsches zu zaubern. So ginge dann allerdings über kurz oder lang wieder mal eine Industrie flöten, wär‘ doch auch schade drum.

Wobei ich mich dann doch immer wieder frage, wie das mit dem Feminismus klappen soll unter kapitalistischen Vorzeichen. Ist das nicht ein Wiederspruch in sich? Bleibt da nicht jedes noch so mutige Vorpreschen in männlich dominierte Gesellschaftsbereiche auf der Strecke, wenn, sofern frau etwas auf sich hält, schon unter normalen Verhältnissen für eine richtig gute Garderobe – also unter Verzicht auf schicke aber ethisch nicht vertretbare Billigklamotten aus Nah- und Fernost – das Monatsbudget einer Kleinfamilie drauf geht, und die wird dann auch noch von der Leistungsgesellschaft vorgegeben, ich mein‘ jetzt nicht die Kleinfamilie, sondern die Garderobe, also die Panier, die Fetzen und die Wäsch‘? Könnte das neue Palmers-Sujet so gesehen nicht auch als – zugegeben recht patscherte – basisdemokratische Solidaritätsbekundung gedeutet werden können: Meine Freundinnen und ich haben alle dasselbe Rüschenhoserl (´tschuldigen, Lace Panties) und kein Problem damit, gibt’s ja eh in verschiedenen Farben? Hm… nein, blöder ging’s wohl nicht mehr, oder? Mir ist das grundsätzlich ja eher wurscht mit den Spitzen und Strapsen, für mich täte es auch ein Baumwollschlüpfer, obwohl ab und zu… ach ja, um auf das Spiel der erotischen Signale – zwischen sublim und frivol – zurückzukommen und auf deren mögliche Umsetzung als revolutionäre Pose im smartphoneaffinen Discounter-Culture-Schick jenseits der boboesk-feministisch dominierten Gender-Mainstreaming-Fadesse (obwohl die ja auch schon wieder etwas für sich hat): Was soll man da sagen?

Also so ab und zu freue ich mich einfach, wenn mal wieder jemand ein Bissl goschert ist, das kann ganz unterschiedlich sein, von echt derb goschert bis lieb goschert bis denzent und fast unmerklich… goschert. Das tut gut. Aber es wäre doch zu bequem die ganze Arbeit einer einzigen Generation zu überlassen – wir alten Analog-Trottel haben’s nicht hingekriegt, jetzt sollen das die Blogger- und YouTuberInnen ausbaden? Und auf den weiblichen Körper und seine textilen Extensionen als Träger fetischisierter Männer- und Frauenphantasmen bezogen fallen mir spontan die folgenden Beispiele aus der Welt der Filmkunst und des Glamour ein, und die haben alle gemeinsam, dass es dazu eigentlich nicht viel braucht außer Grips und Chuzpe.

1980 Grace Jones in One Man Show trug Herrenanzug und Stilettos, darunter nichts. Das Konzept, von Jean-Paul Goude und Grace gemeinsam entwickelt, mittlerweile ein Klassiker, hat damals einer Menge von Leuten, Männern wie Frauen, einen gehörigen Schock verpasst. 1987 Elpidia Carillo in dem Hollywood-Streifen Predator mit militärgrüner Kombi, drunter ein Unterleiberl, verschwitzt, dreckig und ständig Blutspritzer von getöteten Söldnern im Gesicht wirkt, trotz der drastischen Szenen, in ihrer Nebenrolle seltsam anziehend… und echt lieb. 1994 Kate Moss, fotografiert in Schwarz-Weiss von Peter Lindberg und bekleidet mit einer Jeans-Latzhose, darunter nackt, sieht süß aus und trotzig drein in der Baumwollpflückermontur und trotzdem wirkt es so, als würde sie es faustdick hinter den Ohren haben (und als hätte sich Herr Lindberg gerade hinter der Kamera verliebt). 2015 Léa Seydoux in James Bond 007: Spectre – ok, da wird es scheinbar komplizierter, wir sind jetzt beinahe in der Gegenwart angelangt und noch dazu ins tiefste Chauvi-Hinterland, sinnbildlich gesprochen, und auf der Gender-Ebene mitten in einen Generationenkonflikt geraten. Ein schlechtes Beispiel, könnten Sie jetzt nicht ganz zu unrecht sagen. Frau Seydoux spielt eine Psychologin mit Doktorgrad. Die kann mit Schusswaffen umgehen und weiß sich auch ohne Schießeisen gegen die albernen Zudringlichkeiten und Kindereien eines alternden Geheimagenten zur Wehr zu setzen. Ist jemandem aufgefallen, dass ihre Garderobe sehr dezent gehalten ist, geradezu unglamourös für ein Bond-Girl aus den 2010er Jahren? Die meiste Zeit über ist das ganz normale Leisurewear, wie das in unseren Breiten mal geheißen hat, dem Anlass angemessen halt für eine erfolgreiche Therapeutin. Und es wird hier versucht mit einem der hartnäckigsten und nicht totzukriegenden Klischees zu brechen, nämlich dem der hübschen, dummen Blondine. Was zu einem guten Teil auch gelingt. Ja, ja, ich weiß, zum Schluss fällt sie dann doch auf ihn rein (oder umgekehrt?), aber immerhin nachdem sie ihn ein Bisserl erzogen hat, den lieben James (und er sie ein Bisserl g’schreckt). Das klappt halt nicht gleich auf Anhieb perfekt mit der Genderei, noch dazu ist das ein Bond-Streifen, ein zutiefst romantisches Genre. Mich hat’s jedenfalls gut unterhalten.

Das sind jetzt alles schlanke, junge (die Schönheit lassen wir besser mal weg, da die ja im Auge des/der Betrachter(s)/-in liegt) Frauen gewesen, medialisierte wohlgemerkt. Darum geht es meiner Meinung nach auch bei der ganzen Geschichte. Wenn Sie die Biografien der oben genannten überfliegen, werden Sie eine große Differenz zu deren Verkörperungen feststellen und auch ein paar Parallelen. In den Medien wird ausgehandelt, wo wir gerade stehen könnten oder hin möchten, aber das sollte nicht mit den Realitäten verwechselt werden, die sind dann doch noch um einiges umfassender, komplexer, mitunter auch banaler. Seit es Virtualisierungen von Personen in sogenannten sozialen Netzwerken gibt, kommt es da immer mehr zu Verwechslungen und Überschneidungen. Das hat Frau Milborn auch gleich richtigerweise aufgegriffen, indem sie meinte, der Untergriff von Herrn Baumgartner ergäbe in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Sinn.

Inzwischen hat sich das richtig ausgeweitet mit den Osterhöschen (wer kommt bloß auf so einen albernen Namen, der könnte glatt von mir sein?), da gibt es eine ganze Reihe Zeitungsartikel, Social-Media-Beiträge, eine Einladung an Herrn B. zu einem Fernsehgespräch und eine Gegeneinladung von ihm an Frau M. zu einem anderen Fernsehsender sowie eine Stellungnahme von der Firma P. (die ist allerdings recht sonderbar, naja, G’schäftsleut‘ halt).

Was mir schön langsam auffällt, und da werden für mich feministische Standpunkte und ein gewisses Insistieren in Detailfragen zunehmend nachvollziehbar, dass immer öfter, wenn es ein gröberes Problem gibt, dieses dann auf einem Nebenschauplatz über den weiblichen Körper ausgetragen wird. Das ist die gleiche Scheiße wie mit dem Kopftuchstreit: Der Herr Kurz springt heldenhaft in die Presche und will entscheiden, was für Frau Soundso gut ist, ob das jetzt ein Kopftüchel sein darf, ein Schleier, Hidschab, Tschador, Niqab, eine Burka, oder was es sonst noch so gibt. Die armen Frauen würden ja genötigt von den Herren. Naja, so werden sie halt vom Staat genötigt. Hauptsache Nötigung, da haben wir unsere Gutachten dafür (und die bleiben selbstverständlich unter Verschluss), so mach‘ ma das, das passt dann schon, nicht wahr? Und derweilen haben wir noch immer monotheistisch geprägte Patriarchate oder Matriarchate – je nachdem, wie man/frau/kind das lieber sehen will – und eine Einkommensschere zwischen Männern und Frauen von… wie viel war das nochmal? Ein Fünftel? Ach so, eh nur satte zwanzig Prozent. Und unbezahlte Hausarbeit. Na, da wäre ich auch angefressen wegen jeder noch so kleinen Stigmatisierung und würde mir vielleicht dann wenigstens ab und zu mal ein edles Stück Lingerie gönnen – so ein raffiniertes – oder ein Eis oder beides. Und überhaupt! Lasst’s endlich mal ordentlich Kohle rüberwachsen – dafür, dass wir eure künftigen Konsumfreaks großziehen – auch den Männern, dann bleiben die gerne auch zu Hause! Und ich sag‘ das, obwohl ich hier immerhin einen Ruf als Sexist zu verteidigen habe.

Ach Gottchen…

So, jetzt ist mir endgültig schlecht vom Schokolade-Osterhasen-Futtern… wer übrigens beim Österhöschen-Sujet bereits die Nase gerümpft hat, sollte sich vielleicht die neue Dessous-Werbelinie von Palmers zu Gemüte führen, die mit den petrolblau getünchten Wänden, so bohème/Schmuddelpuff-stylie (keine Ahnung, wie man/frau/kind da hinfindet, mich macht die Klickerei auf facebook regelmäßig rasend und am nächsten Tag ist eh wieder alles umgestellt), ich check‘ ja echt nicht, was die Blumenbuketts da bedeuten sollen. Ach so, Surrealismus, na, nichts lieber als das. Übrigens wäre ich für fachkundige Berichtigungen sehr dankbar, mein letzter Einkauf beim Palmers ist schon eine Weile her und so ins Schleudern bin ich schon lange nicht mehr bei einem Thema geraten, nächstes Mal schreibe ich lieber wieder was über Männerthemen, vielleicht so etwas wie Bartwichse oder Anti-Schuppen-Schampoo.

 

Mag. Rozsenich (vormals Frau Márkos [vormals Monsieur O])

Mag. Rozsenich (vormals Frau Márkos [vormals Monsieur O])

Künstlert, schriftstellert und restauriert (zumindest laut Statistik Austria).

Mag. Rozsenich (vormals Frau Márkos [vormals Monsieur O])

Autor: Mag. Rozsenich (vormals Frau Márkos [vormals Monsieur O])

Künstlert, schriftstellert und restauriert (zumindest laut Statistik Austria).

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